L1 Chance. Gerecht. Verteilen. Wir lassen niemanden zurück!

Aus Jusos Schleswig-Holstein
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Gremium: Landeskonferenz
Sitzung: Landeskonferenz 2007
Bezeichnung: Leitantrag L1
Antragsteller:


Beschluss: Angenommen


Gerechtigkeit und Solidarität sind für uns Jusos zwei der zentralen Pfeiler in unserer Gesellschaft. Armut und Ausgrenzung dürfen auch in unserer reichen Industriegesellschaft keine Themen sein, vor denen die Mehrheit der Bevölkerung die Augen verschließt. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, rein alimentierende Sozialsysteme und veraltete Rollenvorstellungen in der Gesellschaft tragen zu den aktuellen Problemen ihren Teil bei. Wir Jusos setzen uns dafür ein, die bestehenden sozialen Barrieren zu beseitigen. In allen Lebenssituationen muss der Staat als starker und aktiver Partner der Menschen auftreten.

Unser Sozialstaat darf daher nicht erst eingreifen, wenn das „Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Er muss vielmehr Chancen bereits von klein auf und für alle Menschen gleichermaßen zur Verfügung stellen. Die Jusos stehen an der Seite derjenigen, die nicht aus eigener Kraft ihre sozialen Schwierigkeiten überwinden können.

Wir Jungsozialistinnen und Jungsozialisten sind Teil der Arbeiterbewegung. Arbeiter haben sich organisiert um der Willkür des Kapitals etwas entgegensetzten zu können und Unfreiheit, Entmündigung, Elend, Armut und Ausbeutung zu überwinden. Diesen Kampf führen wir nach wie vor, denn auch in unserer heutigen Gesellschaft verhindern Armut und Ausbeutung die individuelle Freiheit der Menschen.

Nur, wer über eine gute materielle Absicherung verfügt, kann auch wirklich frei sein. Deshalb mussgesellschaftlicher Wohlstand so umverteilt werden, dass allen diese persönliche Freiheit ermöglicht wird. Dieses beinhaltet primär die Umverteilung materieller Güter, geht aber auch darüber hinaus. Die Sozialdemokratische Bewegung hat viel erreicht, wenn man den nationalen Rahmen betrachtet. Allerdings ist festzustellen: Die Situation, dass wenige viel und viele wenig haben, hat sich in jüngster Vergangenheit in Deutschland wieder verschärft.

Ziel unserer Bemühungen ist es nach wie vor, dass alle Menschen nicht nur Wahlfreiheit haben, sondern auch Handlungsfreiheit. Dafür die Voraussetzungen zu schaffen ist eines unserer zentralen Ziele.

Deswegen wollen wir einen allumfassenden, starken Sozialstaat, der sowohl vorsorgende wie auch nachsorgende Elemente umfasst und sich aktiv in die gerechte Verteilung von materiellen Gütern einbringt. Deswegen wollen wir nicht nur einen vorsorgenden und qualifizierenden Sozialstaat, sondern sind der Auffassung, dass unsere Gesellschaft sich aktiv in die Verteilung von materiellen Gütern einbringen muss.


1. Chancengerechtigkeit durch leistungsfähige Strukturen

Zentrale Aufgabe zur Herstellung von Teilhabe Teilhabechancen in einer Gesellschaft ist der freie Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Ein stabiles soziales Umfeld bildet das Fundament für ein demokratisches und solidarisches Miteinander.


1 a) Perspektiven für Kinderbetreuung

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat viele Aspekte, angefangen von der gesellschaftlichen Akzeptanz berufstätiger Mütter bis hin zur konkreten Umsetzung von Kinderbetreuung und Familienarbeit im Alltag. Die Entscheidung für eine Familiengründung hängt für viele auch mit der Möglichkeit zusammen, weiterhin arbeiten zu können, doch vor allem allein erziehende Mütter und Väter haben oft keine Möglichkeit, einer Berufstätigkeit nachzugehen und sind so auf viel zu niedrige Sozialleistungen angewiesen. Diese sind aber oft zu niedrig und reichen kaum zum Leben. Gerade EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II trifft dies hart, wenn z.B. Kinder nicht gesund ernährt werden können. Wir plädieren daher für eine deutliche Anhebung dieser Sozialleistungen. Kinder dürfen kein Armutsrisiko darstellen. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Ein Kind darf in keinem Fall ein Armutsrisiko darstellen.

Wesentliche Gründe der ungenügenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind sowohl für Mütter als auch für Väter die fehlende Kinderbetreuung und die ein Mangel an flexiblen Arbeitszeitregelungen seitens der Arbeitgeber. Priorität hat der Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland, doch daneben sollten Eltern ihre Arbeitszeit flexibeler gestalten oder eine Teilzeitstelle annehmen können. Dies gilt für beide Elternteile: So lange Väter ihrer Familie nicht mehr Zeit widmen können oder dürfen, bleibt neben dem Job zu viel Erziehungs- und Hausarbeit an den (potenziellen) Müttern hängen, so dass inzwischen viele ambitionierte junge Frauen gleich ganz auf Nachwuchs verzichten. Dabei müssen auch Väter im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit ihre Verantwortung wahrnehmen können. Außerdem bindet eine Familienfreundliche Unternehmenspolitik nicht nur qualifiziertes Fachpersonal, sondern dient auch zur Vorbeugung gegen den drohenden Fachkräftemangel.

Da die Entscheidung für eine Familie kein Armutsrisiko darstellen darf und Beruf und Familie vereinbar sein müssen, fordern wir umfangreiche Angebote an Betreuungsmöglichkeiten schon für die Kleinsten. Vor allem muss aber das Elterngeld so umgestaltet werden, dass es nicht nur Mittelschichtenfamilien, sondern auch GeringverdienerInnen, Hartz-IV-Empfängern und Studierenden nützt, und sie nicht schlechter stellt. Abgesehen davon, dass dieses Geld von den betroffenen Personen dringend benötigt wird, stellt die derzeitige Regelung eine Umverteilung staatlicher Leistungen hin zu höheren Einkommen dar, die nicht hinnehmbar ist. Darüber hinaus müssen flächendeckend ausreichend Betreuungsmöglichkeiten sichergestellt sein. Diese müssen per Rechtsanspruch garantiert werden. Unsere Zielsetzung ist es, dass diese Betreuungsplätze kostenfrei gestaltet werden. In einem ersten Schritt halten wir jedoch nach dem Einkommen progressiv gestaltete Gebühren für notwendig. Unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze ist die Kinderbetreuung aber auch jetzt schon kostenfrei anzubieten.

Die Betreuung muss nicht notwendigerweise in einer Kindertagesstätte erfolgen. Vielmehr befürworten wir auch Tageselternmodelle nach dänischem Vorbild. Tageseltern sind hier fest bei der Kommune angestellt und betreuen jeweils etwa fünf Kinder. Die hohe Elternerwerbsquote in Dänemark spricht für ein solches Modell.

Von der Kinderbetreuung durch Tageseltern oder in Kinderkrippe kann fließend in die Betreuung durch den Kindergarten übergegangen werden. Um dies reibungslos gewährleisten zu können, muss entsprechend auch die Anzahl der Kindergartenplätze flächendeckend sichergestellt werden.

Nach dem derzeitigen Steuersystem ist es den Kommunen aber nicht möglich, diese Aufgaben zu leisten. Da Kinderbetreuung gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, muss es daher umfangreiche Finanzierungsprogramme von Bund und Ländern geben. Langfristig streben wir aber ein Steuersystem an, das es den Kommunen ermöglicht, solche Aufgaben allein zu schultern.

Neben einer Aufstockung von Betreuungsplätzen für Kinder in allen Altersbereichen und Lebenslagen muss es auch zu einer qualitativen Verbesserung kommen. Eine gute und bedarfsgerechte, an neuesten pädagogischen Erkenntnissen ausgerichtete Kinderbetreuung, bessere Aus- und Fortbildungsangebote für Erzieherinnen und Erzieher, Sprachförderung für Kinder mit Sprachentwicklungsverzögerungen, sowie für Kinder nicht deutscher Muttersprache und verpflichtende jährliche ärztliche Untersuchungen der Kinder sind Grundvorrausetzungen zur Sicherungen der pädagogischen Qualität einer Kindertagesstätte. Nur so können Sprachprobleme und motorische Defizite früh erkannt und das Kind in seiner individuellen Entwicklung optimal begleitet werden. Aber auch die Ausbildung von sozialen Fähigkeiten wird durch das spielerische Lernen mit anderen Kindern gefördert. Wir sprechen uns daher für eine Kindergartenpflicht für Kinder ab dem 6. Lebensjahr aus. Dies impliziert die Forderung nach einer Gebührenfreiheit für dieses Jahr – und langfristig für die gesamte Kindergartenzeit.

Sinnvoll fortgeführt wird dieses Kinderbetreuungskonzept durch den bedarfsgerechten flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen.


1 b) Perspektiven für Bildung und Fortbildung

Bildung der Menschen ist einer der wichtigsten Bausteine, um Menschen die Möglichkeit der Handlungsfreiheit zu eröffnen. Deswegen muss Bildung kostenlos sein, von Anfang an.

Wir erkennen aber auch, dass Menschen aufgrund ihres individuellen Lebensweges unterschiedliche Möglichkeiten haben Bildung anzunehmen, und Bildungsmöglichkeiten zu nutzen. Nicht für jeden kommt eine akademische Ausbildung in Frage, nicht jeder hat die Möglichkeit sich zu einem hochspezialisierten Facharbeiter ausbilden zu lassen. Dennoch muss dieser Weg jedem offen stehen, das ist für uns Jungsozialistinnen und Jungsozialisten unumstößlich.

Zu den möglichen persönlichen und bildungstechnischen Gründen einer mangelnden Perspektive auf dem Arbeitsmarkt kommt: Nicht jede Qualifikation ist gerade am Arbeitsmarkt gefragt, und Arbeit ist nach wie vor ungerecht verteilt.

Auch Menschen mit niedrigem, oder gar keinem qualifizierenden Bildungs- und Berufsabschluss muss es möglich sein Ziele und Perspektiven zu haben und diese auch nach dem Prinzip der Handlungsfreiheit zu erreichen. Aber auch wenn wir das wollen. Wir bleiben dabei, Arbeit ist ein Menschenrecht.

Wir Jusos bekennen uns klar zur Gemeinschaftsschule. Eine Schule, an der alle gemeinsam lernen und jeder als Teil einer Lerngemeinschaft entsprechend seiner individuellen Stärken und Schwächen gefördert wird ist unser Ideal für solidarische Bildungspolitik. Durch gemeinsames Lernen schaffen wir die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft. Schulen allgemein müssen optimal ausgestattet und adäquat mit Pädagogen versorgt sein. Sparen an der Bildung bedeutet sparen an der Zukunft. Auch Wirtschaftliche und politische Aufklärung gehören ab der Sekundarstufe I (ab der 5. Klasse) auf den Lehrplan, damit wir nicht nur erstklassige Schülerinnen und Schüler sondern auch gute und kritische Bürgerinnen und Bürger ausbilden.

Auch nach Abschluss der Schule bekennen wir uns zum Recht auf Bildung und Ausbildung. Jeder junge Mensch hat das Recht auf einen Ausbildungsplatz. Eine gesetzliche Umlagefinanzierung ist für die nachhaltige Lösung der Ausbildungsproblematik unerlässlich. Dies muss mit entsprechendem Nachdruck eingefordert werden. Wir wollen die Ausbildungsplatzumlage.

In der Jugendzeit getroffene Entscheidungen über den eigenen Bildungsweg dürfen nicht endgültig sein. Der Zugang zur Hochschule auch ohne Abitur bzw. Fachabitur muss einen festen Bestandteil in der bundesdeutschen Bildungslandschaft darstellen. Auch wer über einen Berufsabschluss verfügt, muss die Möglichkeit haben, studieren zu können. Folgt man der Forderung nach dem „Lebenslangen Lernen“, muss der so genannte zweite Bildungsweg zu einer gleichwertigen Alternative weiter- bzw. wiederentwickelt werden. Individuelle Studienmöglichkeiten, zum Beispiel in Form eines Teilzeitstudiums neben der Berufstätigkeit, aber auch praxisnahe Lehre und interdisziplinäre Angebote können das Studium zu einer sinnvollen Bereicherung der beruflichen Entwicklung werden lassen. Daneben sollen die Hochschulen durch spezielle Weiterbildungsprogramme für NichtakademikerInnen stärker an der Fortbildung beteiligt werden. Damit die Hochschulen dies leisten können, benötigen sie selbstverständlich zusätzliche finanzielle Mittel. Studiengebühren sind asozial, kontraproduktiv und abzulehnen. Sie diskriminieren finanziell schlechter ausgestattete Menschen und manifestieren festgefahrene Verteilungsstrukturen. Vielmehr sind Studierende und in der Ausbildung Befindliche sind bei finanziellem Bedarf darüber hinaus gehend zu unterstützen.

Ziel muss es ebenfalls sein, lebenslange Fort- und Weiterbildung zu einer wichtigen Säule der Bildungs- und Arbeitswelt auszubauen. Hohe berufliche Qualifikation ist häufig Schlüssel zu beruflichem Erfolg. Im Sinne eines vorsorgenden Sozialstaates sind Bildung und Fortbildung – ein zentrales Element der Verhinderung von Armut. Die in Schule, Ausbildung und Studium erworbenen Kompetenzen werden in einer schnelllebigen und von Flexibilität geprägten Zeit nicht mehr ausreichen, den sich wandelnden und steigenden Anforderungen der Arbeitswelt ein komplettes Erwerbsleben lang gerecht zu werden. Den bestehenden, nachsorgend veranlagten Elementen der Fort- und Weiterbildung, die versuchen, den Mangel an kontinuierlicher Weiterbildung notdürftig auszugleichen, gelingt es nicht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Das Ausscheiden vieler ArbeitnehmerInnen aus dem Erwerbsleben vor Erreichen des Renteneintrittsalters und eine hohe Anzahl an nicht ausreichend qualifizierten und somit kaum vermittelbaren Arbeitsuchenden ist die Folge.

Kontinuierliche Weiterbildung muss ermöglicht und gesichert werden. ArbeitnehmerInnen müssen die Möglichkeit haben an Weiterbildungsprogrammen teilnehmen zu können. Daneben muss das Weiterbildungsangebot auch Nichterwerbstätigen offen stehen. Der Qualitätsstandard der Angebote ist durch eine verpflichtende Zertifizierung nach einem der bundesweit anerkannten Qualitätsmanagementsysteme sicherzustellen. Langfristig streben wir europaweit einheitliche Verfahren an, welche eine europaweite Anerkennung der erworbenen Qualifikationen sicherstellen. Die ArbeitgeberInnen haben dafür Bildungsurlaub zu gewähren.

Die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben ist noch lange nicht verwirklicht. Nach wie vor werden Männer im gleichen Beruf besser bezahlt und Frauen sind in vielen Berufsfeldern unterrepräsentiert. Das Prinzip der Gleichberechtigung fordert aber, dass beiden Geschlechtern dieselben Chancen und Möglichkeiten offen stehen. Nur wenn Frauen gestärkt, unterstützt, aufgeklärt, gefördert und ermutigt werden, können die Machtverhältnisse innerhalb unserer Gesellschaft verändert werden. Es muss im Rahmen der Politik für eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf darauf hingewirkt werden, dass Reproduktionsarbeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt wird, d.h. dass Männer sie ebenfalls wahrnehmen, und dass diese Arbeit gesellschaftlich auch tatsächlich als Arbeit anerkannt wird.

Menschen mit Migrationshintergrund sind vielfach von der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Grund hierfür liegt neben einer strukturellen Fremdenfeindlichkeit, die es aufs Schärfste zu bekämpfen gilt, auch an oft nur gering vorhandenen Sprachkenntnissen. Menschen mit Migrationshintergrund sind überproportional oft gesellschaftlich ausgeschlossen und auch hier wieder betrifft der soziale Ausschluss am meisten Frauen und junge Männer unter unseren Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund. Einige ziehen sich aus dem gesamtgesellschaftlichen Kontext so weit als möglich zurück, was die sozialen Bedingungen nicht eben verbessert, das Gegenteil. Der Grund hierfür liegt auch an der vielfach geringen oder nicht vorhandenen Ausbildung, auch an den gelegentlich nur rudimentären, nicht ausreichenden Sprachkenntnissen. Gezielte Sprachförderung, die bereits im Kindergarten beginnt und die stärkere Berücksichtigung von kultureller Pluralität in den Schulen, sowie mehr individuelle Förderung sollen helfen, auch MigrantInnen gleiche Möglichkeiten auf ein selbstbestimmtes Leben einzuräumen.

Jedoch nur bei Kindern anzusetzen reicht nicht aus, auch erwachsene Frauen und erwachsene Männer brauchen Unterstützung, sowohl sprachlicher, als auch in bürokratischer Hinsicht. Deswegen ist Menschen mit sprachlichen Defiziten gezielt Sprachförderung zukommen zu lassen, Menschen, die Hilfe bei den Behörden brauchen ist Hilfe zu gewähren. Diese Hilfe könnte sich in Form eines „Integrationscoaches“ äußern.

Nur wer verstehen und kommunizieren kann, kann auch partizipieren und seine und seine Vorstellungen klarmachen. Wir wollen allen Menschen die in Deutschland Leben Chancengleichheit ermöglichen, erwarten aber auch, dass die gesellschaftliche Solidarität in beide Richtungen funktioniert. Wir wollen keine Assimilation, aber wir wollen auch kein Nebeneinander, denn nur Miteinander kann man für alle gute Lebensbedingungen schaffen.


1c) Perspektiven für Jugendarbeit

Die Jugendarbeit – ob in Vereinen oder kommunalen Einrichtungen – verdient die volle Unterstützung der Gesellschaft. Sie vermeidet soziale Exklusion und vermittelt Bildung vor allem in Gestalt sozialer Kompetenzen in einer Form, wie es die Schule nicht leisten kann. Deshalb fordern wir Jusos, die Fördermittel auf allen politischen Ebenen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen. Einer Zusammenarbeit von Vereinen und Verbänden mit Schulen stehen wir offen gegenüber. Diese Kooperation kann und darf allerdings professionelle Schulsozialarbeit nicht ersetzen. Wir fordern daher den Ausbau der Schulsozialarbeit und mehr finanzielles Engagement in diesem Bereich. Jugendlichen Arbeitslosen ist eine sozialpädagogische Betreuung zur Seite zu stellen.

Nicht nur in bestehenden Brennpunktgebieten gilt es, durch gezielte Maßnahmen ausgleichend und präventiv auf Probleme zu wirken. Dabei kommt Tätigkeiten wie der Schulsozialarbeit, der mobilen Jugendarbeit und der Drogenberatung eine gehobene Bedeutung zu. Diese gilt es in Zukunft zu stärken. Hier sehen wir auch das Land in der Pflicht.


1 d) Perspektiven für Arbeitsvermittlung: Vorfahrt für Kommunen

Ziel der seit 2005 geltenden Reform der Arbeitsvermittlung war eine wirksamere Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Seither wirken bundesweit unterschiedliche Kompetenzmodelle in den einzelnen Regionen. Neueste Untersuchungen belegen aber, dass die Wahrnehmung der Arbeitsvermittlung durch die Kommunen am erfolgreichsten ist.

Wir Jusos bekennen uns dazu, dass ferne Arbeitsmarktverwaltungen die Kernaufgabe der Arbeitsvermittlung, gerade im Bereich der Langzeitarbeitslosen, nicht zufrieden stellend bewältigen können. Arbeitsvermittlung muss in Zukunft subsidiär ausgestaltet werden. Vor Ort sind die arbeitsmarktspezifischen Probleme und Herausforderungen am Besten lösbar. Wir sprechen uns dafür aus, den Kommunen die alleinige Vermittlungskompetenz für Bezieher/innen von Arbeitslosengeld II zu übertragen. Die Bundesagentur übernimmt dabei eine Servicefunktion für die kommunalen Vermittler.

Es muss weiter Aufgabe der Bundesagentur bleiben, das bundesweite Angebot an Stellen bzw. Arbeitssuchenden den kommunalen Vermittlern vollständig zur Verfügung zu stehen. Bei der Arbeitsvermittlung muss außerdem eine Vermittlung in den erlernten oder diesem möglichst ähnlichen Beruf unbedingte Priorität haben. Die kommunalen Einrichtungen sind mit dem bundesweiten Dienstleister Bundesagentur zu vernetzten.


1e) Perspektiven der Stadtentwicklung (Perspektiven der Flächenentwicklung)

Dem Trend zu einer Festivalisierung der Stadtplanung stehen wir Jusos genauso kritisch gegenüber wie großen städtebaulichen Leuchtturmprojekten. Problematisch ist nicht nur, dass dabei die planerische Zukunft ganzer Stadträume von einzelnen Events und Projekten abhängig gemacht wird, sondern auch, dass die Gegenfinanzierung zum Teil über Kürzungen im sozialen Bereich geschieht.

Das Leitziel sozialer Inklusion im Bereich des Städtebaus zu flankieren, bedeutet auf monotone Wohnstrukturen zu verzichten. Gerade die großen Städte müssen dabei erkennen, dass die Innenstädte mehr sind als eine Aneinanderreihung von Einkaufsmeilen. Sie bieten oft Wohnraum für große Anteile der Stadtbevölkerung. Kein/e intelligente/r Planer/in schafft sich seine sozialen Brennpunkte selbst.

Das Projekt „Soziale Stadt“ muss fortgeführt und ausgebaut werden. Die klassischen Mittel der Quartiersaufwertung durch ruckartige Sanierungen – die im schlimmsten Fall durch anschließende Mieterhöhungen zu Verdrängungseffekten führten – haben kaum nachhaltige Erfolge gezeigt. Ebenso rasch kam der Verfall zurück.

Sicherstellung von günstigem Mietraum kann insbesondere eine Perspektive für Stadtentwicklung sein, wenn saniert wird und dadurch günstige Wohnungen für alle sichergestellt werden. Sanierung der Innenstädte beugt auch dem Problem der Flächenversiegelung vor.

Stadtentwicklung muss auch ein besonderes Augenmerk auf die Integration ausländischer MitbürgerInnen legen. Ämterübergreifende Integrationskonzepte sind unerlässlich. Ghettoähnliche Wohnviertel, wie sie in vielen deutschen Vorstädten existieren und in denen hauptsächlich sozial ausgegrenzte Menschen leben, müssen verhindert werden.


1f) Vorwärts, und nicht vergessen…

Gerechtigkeit, wie wir sie verstehen, beschränkt sich jedoch nicht auf das Schaffen gleicher Startchancen, die dann Grundlage für einen ungezügelten Wettkampf um Wohlstand sind. Vielmehr hat der Staat die fortwährende Aufgabe, die individuelle Entfaltung, die materielle Absicherung und gesellschaftlich-kulturelle Teilhabe jedes Menschen während seines gesamten Lebens sicherzustellen. Wer auf Unterstützung angewiesen ist, hat immer ein Recht auf die Solidarität der Gesellschaft. Starke Schultern tragen mehr als schwache. Soziale Machtgefälle und überlieferte Kräfteverhältnisse sind auch in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhanden. Ein starker Staat als demokratisch legitimiertes Organ ist der notwendige Gegenpol zu derartigen Strukturen. Teile der Bevölkerung sind weitgehend von materieller und gesellschaftlicher Partizipation abgekoppelt. Es ist vitaler Bestandsteil sozialdemokratischen Strebens, allen Menschen greifbare Perspektiven zu eröffnen, in vollem Umfang an den Errungenschaften unseres Sozialstaates zu teilzuhaben.

Der Staat muss Chancengleichheit für alle Menschen von klein auf gewährleisten. Weil Chancengleichheit allein aber nicht ausreicht, muss der Staat auch für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Wir Jusos stehen nicht nur an der Seite derjenigen, die nicht aus eigener Kraft ihre sozialen Schwierigkeiten überwinden können.

Wie der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beweist, ging die Schere zwischen Arm und Reich leider auch unter SPD-Regierungsbeteiligung immer weiter auseinander. Der Anteil aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen hat in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt, während der Arbeitnehmeranteil kräftig sank. Noch deutlicher wird die ungleiche Verteilung bei den Vermögen. Im reichen Deutschland verfügt die untere Hälfte der Haushalte insgesamt nur über vier Prozent des gesamten Nettovermögens, während das reichste Fünftel rund zwei Drittel des gesamten Nettovermögens besitzt. Das ist nicht hinnehmbar! Für uns JungsozialistInnen gilt: Jeder Mensch muss ein gutes Leben führen können.


2. Ein Leben lang: Chancen eröffnen, Risiken absichern

Abseits der infrastrukturellen Möglichkeiten, die der Staat schaffen kann, bleibt die finanzielle Absicherung ein grundlegendes Prinzip unseres Sozialstaats. Hier gilt es, den Anspruch auf soziale Leistungen weniger am vorherigen oder aktuellen Erwerbsstatus der betroffenen Person festzumachen. Ziel muss es sein, dass all diejenigen, die gleiche Maßnahmen brauchen, diese auch erhalten.

2 a) Perspektiven für Arbeit: Sozialabgaben progressiv gestalten

Wir Jusos erkennen, dass es einen Niedriglohnsektor in Deutschland gibt und wollen diesen überwinden. Vor allem gering qualifizierte Menschen, aber auch gerade viele Frauen – im Nebenerwerb oder allein erziehend – nehmen hier Tätigkeiten insbesondere in der Dienstleistung wahr. Gleichzeitig ist das Beschäftigungspotenzial in den unteren Einkommenssegmenten im internationalen Vergleich zu schwach ausgeprägt, die Nettolöhne viel zu gering und die Möglichkeiten sozialer Absicherung gering. Hier wollen wir ansetzen, neue Perspektiven für Arbeit eröffnen und zu fairen Löhnen beitragen.


2 b) Mindestlohn

Arbeit in Armut“ fordern wir die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde. Während in den meisten Ländern der europäischen Union ein landesweit einheitlicher Mindestlohnsatz gilt, konnte sich die große Koalition nur auf eine branchenbezogene Lösung einigen. Die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf Branchen in denen die Tarifbindung 50% übersteigt und die Mindestlohnregelung für die Branchen, in denen keine so hohe Tarifbindung besteht, über das seit 1952 bestehende „Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen“ sowie das sechsköpfige unabhängige Expertengremium, das darüber entscheiden soll, ob es in einer Branche zu einer Regelung kommt, sind zwar Schritte in die richtige Richtung, doch nur ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in angemessener Höhe kann weiteres Lohn- und Sozialdumping in Deutschland verhindern. Arbeit ist für einen Menschen weit mehr ist als ein reiner Einkommenserwerb. Arbeit sichert Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und hat eine zentrale Integrationsfunktion in die Gesellschaft. Der gezahlte Lohn muss den Lebensunterhalt sichern, auch da dies den Arbeitenden gegenüber die nötige Wertschätzung für das geleistete verdeutlicht. Deshalb lehnen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen ab.

Des Weiteren darf Leiharbeit nicht die reguläre Beschäftigung verdrängen. Deshalb soll die Gleichbehandlung von LeiharbeitnehmerInnen mit regulären ArbeitnehmerInnen des Einsatzbetriebs gesetzlich festgelegt werden. Der Lohn, den die ZeitarbeitnehmerInnen von der Zeitarbeitsfirma erhalten, muss dem Lohn der regulär Angestellten, die dieselbe Arbeit im selben Betrieb verreichten, genau entsprechen. Zeitarbeit soll somit so verteuert werden, dass sich die Einstellung von ZeitarbeitnehmerInnen nur dann lohnt, wenn tatsächlich die Kapazitäten kurzfristig nicht ausreichen, langfristig aber nicht mit einem solchen Niveau zu rechnen ist.


2 c) Perspektiven für gesellschaftliche Teilhabe

Ziel der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war es, von Arbeitslosigkeit Betroffenen „Hilfe aus einer Hand“ zu geben. Menschen, die vorher in der Sozialhilfe sich selbst überlassen wurden, sollten so u.a. erneut in die Vermittlungsmaßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik integriert werden und die Möglichkeit erhalten, sich auch durch Fortbildungsangebote wieder für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Leider überwiegt das Prinzip des „Fordern“ das Prinzip des „Förderns“ und erzeugt so massive soziale Spannungen. Soziale Sicherung hat aber auch die Zielsetzung, ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen, sowie soziale und kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dies wird durch die geltenen Hartz-IV-Regelsätze in keiner Weiser gewährleistet.

Die Leistungshöhe des Regelsatzes von Arbeitslosengeld (ALG) II wird in der Regelsatzverordnung (RSV) festgelegt und aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2003 abgeleitet. Der Regelsatz wurde im Verhältnis zu den früher anerkannten realen Ausgaben teilweise erheblich gekürzt, beispielsweise bei Nahrung, Haushaltsstrom und Ausgaben für Kommunikation. Dies muss geändert werden. Hierbei muss wieder der alte, höhere Regelsatz gelten.

Um einen gerechten Regelsatz für ALG II-BezieherInnen zu garantieren, darf unserer Meinung nach das Ausgabeverfahren der ALG II-BezieherInnen bei zukünftigen EVS nicht berücksichtigt werden. Ansonsten würde dies eine Kürzung bedeuten. Außerdem wird diese Stichprobe nur alle fünf Jahre erhoben. Aus diesem Grund fordern wir Jusos, dass die Regelleistungen in den Jahren zwischen den jeweils neuesten Erhebungen an der Inflationsrate orientiert angepasst werden.

Die Erkenntnis, dass das ALG II teilweise ein Leben in Armut bedeutet, ist bei den Spitzen der bürgerlichen Parteien, und auch in der SPD, überfällig. Es muss die Vernunft aufgebracht werden, Arbeitslosigkeit nicht ausschließlich als Problem der einzelnen Betroffenen zu sehen. Arbeitslosigkeit muss als gesellschaftliches Problem anerkannt und durch die Gesellschaft gelöst werden. Es muss klar gemacht werden, dass die entscheidenden Defizite nicht einzig auf der Seite der ArbeitnehmerInnen, die ihre Arbeitskraft anbieten, liegen, sondern auch auf der Seite einiger Unternehmen bzw. deren Führungskräften. Ein Paradebeispiel dafür ist der Fall BenQ-Siemens, wo betriebswirtschaftliche Fehler zum Verkauf und schlussendlich zur Abwicklung des Konzerns durch den Käufer geführt haben. Die Leidtragenden waren größtenteils die Beschäftigten, die dadurch ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Unabhängig von der Debatte über wirtschaftspolitische Konzepte, ist bei der Armutsbekämpfung die Verhinderung der Armut unter Arbeitslosen wohl der wichtigste Aspekt. Auch trotz der Angleichung der Bezüge in Ost und West auf einheitliche 345 Euro liegt dieses Einkommen zuzüglich der Mehrbedarfsleistungen und Unterkunftskosten zum Beispiel für einen 2-Personen-Haushalt (Erwachsener mit Kind, 4 Jahre) inklusive Mehrbedarf nach Ablauf des Zuschlags bei 1.063 Euro (649 Euro + 414 Euro = 1.063 Euro). Die Armutsgrenze laut neuer OECD-Skala und ausgehend vom 2. Armuts- und Reichtumsbericht, der die Armutsgrenze bei 938 Euro festlegt, liegt hier bei 1.219 Euro (938 Euro x 1,3 = 1.219 Euro), das Einkommen aus ALG II unterschreitet also die Armutsgrenze um 156 Euro. Dieselbe Rechnung bei einem 3-Personen-Haushalt (2 Erwachsene, ein Kind, 4 Jahre) ergibt ein Minus von 377 Euro, bei einem 4-Personen-Haushalt (2 Erwachsene, 2 Kinder, 12 und 4 Jahre) sogar ein Minus von 396 Euro! Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass seit 2003, als der zweite Armuts- und Reichtumsbericht verfasst wurde, die Armutsgrenze aufgrund steigender Lebenshaltungskosten nun deutlich höher liegt. Es ist für uns selbstverständlich, dass jeder Mensch, in welcher Lage er oder sie sich auch immer befindet, ein weitgehend unabhängiges Leben in Würde führen können muss. Weiter muss dafür gesorgt werden, dass auch EmpfängerInnen von ALG II besser privat vorsorgen können. Der Vermögensfreibetrag für Altersvorsorge soll von 200 Euro p.a. auf 500 Euro p.a. Angehoben werden.

Unter Arbeitslosen ist auch die Anfälligkeit für Krankheiten höher, vor allem Depressionen oder psychosomatische Erkrankungen sind weiter verbreitet. Bei einem derartig geringen Einkommen ist es außerdem ungerecht, noch Zuzahlungen für Gesundheitsleistungen zu fordern, die von 10 Euro Praxisgebühr bis hin zu mehreren hundert Euro für Zahnersatz reichen. Wir fordern deshalb, EmpfängerInnen von ALG II von der Praxisgebühr und der Eigenbeteiligung an Arzneimitteln auszunehmen.


2 d) Ausweitung öffentlicher sozialer Dienstleistungen

Zur Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe gehört einerseits die optimale Versorgung mit sozialen Dienstleistungen, zugänglich in allen Lebensbereichen und für alle. Andererseits ist der Zugang zu Erwerbsarbeit als sinnstiftendes, psychologisch, volkswirtschaftlich und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt notwendiges Element unbedingt auszubauen.

Um beides realisieren zu können, fordern wir den Ausbau staatlich getragener öffentlicher Dienstleistungen. Deutschlands Dienstleistungssektor liegt im Allgemeinen sowie im Bereich der sozialen Dienstleistungen im Speziellen im europäischen Mittelfeld. In Anbetracht der Tatsache, dass die Dienstleistungsbranchen den europaweit höchsten Nettobeschäftigungsanstieg – gerade auch in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Erziehung – haben, ist hier von einem großen ungenutzten Beschäftigungspotential auszugehen.

Der deutliche Ausbau staatlicher öffentlicher Dienstleistungen kann einen flexibel einsetzbaren und politisch steuerbaren beschäftigungspolitischen Mechanismus herausbilden. Eine Ausweitung des Sektors sozialer Dienstleistungen führt darüber hinaus zu einer Erhöhung der Frauenerwerbsquote dadurch, dass zum einen mehr Frauen in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wenn entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Die Stärkung der sozialen Dienstleistungen bedeutet einen Spagat zwischen Beschäftigungsschaffung auf der einen und Qualitätssicherung auf der anderen Seite. Die Förderung des einen zulasten des anderen darf dabei nicht hingenommen werden.

Um das Angebot an sozialen Dienstleistungen möglichst adäquat an die lokalen Bedürfnisse anzupassen, sind öffentliche soziale Dienstleistungen möglichst auf kommunaler Ebene anzusiedeln. Wir halten dabei verschiedene Wege für gangbar, um in diesem Bereich entsprechende Erfolge zu erzielen. Zum einen sollen die Städte und Gemeinden schwerpunktmäßig über anerkannte Wohlfahrtsverbände bestimmte Projekte gerade im Bereich der Pflege und der Betreuung durchführen. Die Verbände haben auf diesem Gebiet die nötige Kompetenz und Erfahrung, den bereits angesprochenen Spagat zwischen Arbeitsplatzgewinn und der Sicherung der Qualität zu meistern. Die Projekte sollen möglichst dauerhaft in der Angebotsstruktur der Kommunen verankert werden. Zum anderen können die Kommunen direkt entsprechende Betreuungspersonen einstellen, die im Bereich der Kinderbetreuung oder der Jugendarbeit tätig sind. Gerade für kleinere Gemeinden ist dies die praktikablere Lösung, wenn größere Einrichtungen nicht zu schultern sind.


2 e) Grundrente: Alter ohne Armut

Für jede/n Einzelne muss eine Absicherung im Alter gewährleistet sein. Die momentane Ausgestaltung des Rentensystems führt dazu, dass es Personenkreise gibt, die überhaupt nicht rentenversichert sind oder in ihrem Rentenanspruch vom Ehepartner abhängen. So sind insbesondere Frauen und Selbstständige einem erhöhten Armutsrisiko im Alter ausgesetzt. Dies ist für uns Jusos kein hinnehmbarer Zustand und widerspricht unseren Vorstellungen einer solidarischen Gesellschaft. Daher sprechen wir uns für ein Mehrsäulensystem aus.

Altersarmut soll mit einer staatlichen Alterssicherung in Form einer steuerfinanzierten Grundrente bekämpft werden, die den Grundbedarf eines/-r Jeden im Alter deckt. Wesentliches Ziel ist hierbei die Schaffung gleicher Bedingungen für alle durch den Staat. Darüber hinaus soll es weiterhin einen beitragsfinanzierten Rentenanteil geben. Diese, den Sockel der Grundrente aufstockende Rente knüpft nach wie vor an der Erwerbstätigkeit an. Dritte Säule des angestrebten Rentensystems ist die Möglichkeit der kapitalgedeckten betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Hierdurch wird die Masse der BeitragszahlerInnen davon entlastet, für die Altersabsicherung der Besserverdienenden aufkommen zu müssen.

Auf diese Weise wird mehr Gerechtigkeit in der Alterssicherung geschaffen, indem der Rentenbezug zukünftig nicht mehr vom Erwerbsstatus des/der Bezugsberechtigten bzw. von dessen/deren bisherigem Einkommen abhängt, sondern vielmehr alle BürgerInnen in gleichem Maße bedingungslos abgesichert werden. Damit wird den veränderten Erwerbsbiographien Rechnung getragen, die immer seltener von lückenloser Erwerbstätigkeit geprägt sind. Außerdem wird verhindert, dass das Schicksal von Arbeitslosigkeit in der Phase der Erwerbsfähigkeit sich doppelt negativ auswirkt und sich auch im Bereich des Rentenbezugs niederschlägt. Niemand soll auf Grund seines/ihres Alters auf Sozialhilfe angewiesen sein. Die den Lebensstandard sichernden Elemente des Rentensystems sind zukünftig im Bereich des beitragsfinanzierten Rentenanteils und in der Möglichkeit der kapitalgedeckten Altersvorsorge angesiedelt.

Die Einführung der Grundrente muss wegen des Bestandsschutzes für die bestehenden Ansprüche im beitragsfinanzierten System in kleinen Schritten geschehen. Aus diesem Grunde soll die Gewichtung zwischen beitragsfinanzierter und steuerfinanzierter Säule durch ein Absenken der Beiträge zur Rentenversicherung innerhalb der nächsten Jahrzehnte langsam zu Gunsten der steuerfinanzierten Säule verschoben werden.


3. Gerechte und nachhaltige Gegenfinanzierung

Wir sind dafür, den Ausbau der Infrastruktur und der öffentlichen Angebote voranzutreiben und im Gegenzug direkte Finanzhilfen einzufrieren. So stehen wir dem Verzicht auf zukünftige Kindergelderhöhungen positiv gegenüber, wenn dafür entsprechende Betreuungs- und Bildungseinrichtungen geschaffen werden. Der Kinderfreibetrag und das Ehegattensplitting sind nach und nach abzuschaffen.

Gerade weil wir für die Stärkung der Kommunen bei Armutsbekämpfung und präventiver Sozialpolitik sind, muss deren Finanzkraft gestärkt werden. Wir sprechen uns dafür aus, dass Kommunen an der Einnahmenwirkung aus der Einkommensteuer stärker partizipieren. Sie sollen ein Hebesteuersatzrecht, welches sich in einem bestimmten Rahmen befindet, auf die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erhalten.

Auf dem Weg zu einer solidarischen Gesellschaft bleibt Willy Brandts Idee, dass starke Schultern mehr tragen können als schwache im Mittelpunkt. Die materiell besser Gestellten in diesem Land müssen einen stärkeren Beitrag für eine wirksame Sozialstaatspolitik leisten. Wir sind deshalb dafür, den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer wieder anzuheben. Außerdem sollen die Bewertungsgrundlagen bei der Erbschaftssteuer bei angemessenen Freibeträgen reformiert werden, um höhere Einnahmen aus dieser Steuer zu erzielen. Darüber hinaus muss auch die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden.