E2 Nachhaltige Landwirtschaft für ALLE

Aus Jusos Schleswig-Holstein
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Gremium: Landeskonferenz
Sitzung: Außerordentliche Landeskonferenz Digital 2021
Bezeichnung: E2
Antragsteller: KV Rendsburg-Eckernförde


Beschluss: Angenommen


Die Landeskonferenz der Jusos Schleswig-Holstein möge beschließen:

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist allgegenwärtig: Im Jahr 1950 gab es in der damaligen Bundesrepublik Deutschland 2 Millionen Bauernhöfe, 2017 waren es im heutigen Bundesgebiet nur noch 270.000. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche teilt sich unter immer weniger Betrieben auf. So wuchs der durchschnittliche Hof innerhalb der vergangenen 60 Jahre von 7,5 auf 62,3 Hektar – nach dem Prinzip: „wachse oder weiche!“ Verantwortlich für diese Entwicklung ist zunächst der technische Fortschritt. Mit dem Aufkommen moderner Gerätschaften lässt sich die Arbeit mit geringerem Zeit- und Arbeitsaufwand erledigen. Betriebe werden in die Lage versetzt, mehr Tiere zu halten und größere Flächen zu bewirtschaften. Dadurch sanken die Beschäftigtenzahlen im Agrarsektor deutlich. Ein*e Landwirt*in ernährt heute fast 160 Menschen. Im Jahr 1970 waren es noch etwa 30. Die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) subventioniert besonders nach fächenmäßigen Gesichtspunkten und dient so als Verstärker dieser Entwicklung. Zudem funktioniert sie zu exportorientiert, begünstigt Konzentration von Marktmacht und Erlösen bei wenigen Konzernen des Lebensmitteleinzelhandels sowie der Ernährungsindustrie und zerstört mit billigen Gütern Märkte in anderen Teilen der Welt. Als Verlierer*innen brachte sie jene hervor, die am Beginn der Wertschöpfungskette arbeiten und die Erzeugnisse liefern, die anschließend mitunter als „Rohstoffe“ geringgeschätzt werden. Durch den Verdrängungswettbewerb in der Landwirtschaft ist für kleine und selbst mittelgroße Betriebe ein existenzsicherndes Wirtschaften kaum mehr möglich. Diese Politik ist nicht mehr zeitgemäß, sie ist gescheitert. Die Landwirtschaft hat erhebliche Auswirkungen auf unsere unmittelbare Umgebung. Beinahe die Hälfte der Fläche Deutschlands (16,65 von etwa 36 Mio. Hektar) wird kommerziell bewirtschaftet. Noch vorhandene Betriebe in familiären Strukturen müssen erhalten werden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass der Selbstversorgungsgrad unserer Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln hoch bleibt und wir den Einfuss auf eine nachhaltige Produktion der Erzeugnisse behalten. Wir fordern gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten für eine moderne Agrarpolitik, die die Interessen von Landwirt*innen, deren Beschäftigten, Verbraucher*innen, und Umweltschutz gleichermaßen berücksichtigt. Wertschöpfungsketten sollen – wo immer möglich – in der Region bleiben, um Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze zu sichern und Transportwege zum Wohle von Tier und Umwelt so kurz wie möglich zu halten. Auf Europa- und Bundesebene fordern wir alle SPD-Gliederungen auf, politische Rahmenbedingungen in diesem Sinne zu gestalten.

Wir fordern wir insbesondere die SPD-Landtagsfraktion, die SPD-Bundestagsfraktion und die S&D-Fraktion im europäischen Parlament auf, sich für folgende Punkte einzusetzen:

  • eine grundsätzliche Neuausrichtung der Europäischen Agrarpolitik weg von der Förderung nach Fläche hin zu einer Förderstrategie, die insbesondere kleine und nachhaltige Agrarbetriebe unterstützt
  • Höfesterben beenden
  • Längerfristige Planbarkeit bei Aufagen für landwirtschaftliche Betriebe
  • Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei kurzfristigen Verschärfungen von Aufagen mit erheblichen ökonomischen Auswirkungen
  • Perspektiven für langfristige Entscheidungen, wie der Übernahme von Betrieben, unterstützen und gewährleisten
  • Junge Landwirt:innen, die sich entscheiden den Betrieb weiterzuführen müssen besondere Förderungen erhalten:
  • Aufstockung der EU-Junglandwirt:innenprämie bei Bedarf, mit besonderem Fokus auf kleine und mittelgroße Betriebe, vielseitige Bewirtschaftung, angemessene Tierbesatzdichte und ähnliche Kriterien.
  • Anreize zur betrieblichen Umstellung im nachhaltigen Sinne
  • Unterstützung bei der Eröffnung neuer Betriebszweige
  • Förderung bei der Erstellung neuer Vermarktungswege/Direktvermarktung - Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels einschränken
  • Bei Verpfegung mit Geldern des Landes oder untergeordneter Körperschaften (in Kitas, Schulen, Kantinen in öffentlichen Gebäuden, etc.) Regionalität und soziale und ökologische Standards voraussetzen
  • Initiierung einer umfassenden Kampagne für das Gütezeichen „Geprüfte Qualität SchleswigHolstein“ in Supermärkten, Discountern, usw. mit dem Ziel Verbraucher:innen beim Einkauf vor die direkte Wahl zu stellen
  • Initiative zur Stärkung des Bundeskartellamts zur Verhinderung/Eindämmung von Abhängigkeiten in Folge von Nachfrageoligopolen bei landwirtschaftlichen Produkten
  • Förderung des regionalen Vertriebs und der regionalen Weiterverarbeitung
  • Landesweite App, in der sich Hofäden, Lieferdienste, Regio-Boxen/Automaten, Wochenmärkte für regionale Produkte und Anbieter, die Produkte mit dem Gütezeichen „Geprüfte Qualität Schleswig-Holstein“ offerieren, präsentieren können
  • Entwicklung neuer Konzepte für Wochenmärkte, z.B. „Feierabendmarkt“ (in den Nachmittags- und Frühabendstunden), um mehr und diversere Nachfragende zu erreichen
  • Bezuschussung von Investitionen für Betriebe, die Direktvermarktungsstrukturen aufbauen wollen
  • Zertifkatehandelssystem nach Vorbild der C02-Zertifkate:
    • Einzahlung vom Land und von den Akteur:innen, die gewisse perspektivisch zu erhöhende Standards nicht erfüllen, bspw.
    • zu weite Transporte zu Schlachthöfen
    • niedrige Tierwohlstandards (etwa Tierwohllabel Stufe 1)
    • Beachtung ökologischer und sozialer Kriterien
    • Auszahlung als Förderung unter bestimmten Voraussetzungen, bspw.
    • am Tierwohl orientierter Umbau/Neubau von Ställen
    • Diversifzierung, Vergrößerung der Fruchtfolge
    • Aufbau von Direktvertriebsstrukturen
  • Streckenmäßige Begrenzung von Lebend-Transporten
  • Runder Tisch der Nahrungsmittelproduktion
  • Initiierung einer Kommission auf Landesebene mit folgenden Zielen:
  • Gegenseitiger Austausch über Wege zu einer modernen Agrarpolitik im Sinne der
    • Landwirt:innen,
    • Verbraucher:innen,
    • regionalen Wertschöpfung,
    • mit besonderem Fokus auf
    • kostendeckende Preise,
    • qualitativ hochwertige Produkte,
    • das Wohl von Tier und Umwelt.
  • Beteiligung von Landwirt*innen, Lebensmitteleinzelhandel, Nahrungsmittelproduktion, Umweltverbänden, Verbraucher*innen aus Schleswig-Holstein in angemessenem Verhältnis
  • Erarbeitung von Konzepten als Expertise und Grundlage für politische Beschlüsse
  • Erhaltung und Ausbau des Absatz- sowie Produktionsstandorts „Schleswig-Holstein“